Pallottiner am Mönchsberg

Salzburg, 14.2.2012 Valentinstag. Die sibirische Kälte, die Mitteleuropa für 3 Wochen lahm gelegt hat, weicht einem Tauwetter. Christl ist in dieser Skiwoche mit Julian in Saalbach Skifahren. Dann passiert es, ein Eisbrocken zwischen den Füssen irritiert sie, und sie kommt zum Sturz. Mit wehen Knie fährt sie noch in die Pension und am nächsten Tag in der Klinik die Diagnose nach dem Röntgen: Schienbeinkopfbruch, 6 Wochen Schiene tragen und Fuss hochlagern. Abbruch der Skiferien, Jürgen und Doris kommen nach Saalbach und fahren in 2 Autos mit der verletzten Christl nach Seekirchen.

Am Abend erreicht mich das e-mail mit der Aussicht, dass Christl die nächste Zeit in Seekirchen bleiben muss. Dabei wollte ich am Mittwoch wegen der Rechtsinformatik-Konferenz nach Seekirchen kommen.

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Also auf ins Internet und wo kann man noch so kurzfristig in der Innenstadt ein Zimmer finden? Siehe da, es gibt sie noch, Zimmer unter 50 Euro in der Innenstadt und eines sogar am Mönchsberg. Schlössl heisst es, und gehört als Gästehaus zu den Pallottiner. Pallottiner? Ein Orden, mitten in Salzburg auf dem teuren Mönchsberg? Wie in Tibet? Noch nie gehört. Also, schnell gebucht.

Am Mittwoch Abend buy viagra uk reise ich an und komme am halbfertigen neuen Salzburger Hauptbahnhof an. Er scheint schön zu werden und auch der Europaplatz davor sieht besser aus als früher, es gibt gleich ein Einkaufszentrum, dort wo früher der Oberndorfer Lokal-Bahnhof war. Ich kaufe verbilligte Buskarten – nach etwas Diskussion, bis ich die möglichen Fahrscheinoptionen ausgelotet hatte – und fahre mit der ‚neuen‘ Triebwagen S-Bahn nach Mülln. Die Bahn-Station, die ich vom Bahnhof in 2 Minuten erreiche, liegt gerade nach der Salzachbrücke und bietet den wunderbaren und immer wieder faszinierenden Blick auf die Altstadt.

Ich gehe in Richtung Müllner Bräu und am Landeskrankenhaus vorbei, dort wo ich vor 60,5 Jahren das Licht der Welt erblickte. Vorbei am grossen Parkplatz des Bräuhauses und an dem nun kahlen schattigen Gastgarten mit den vielen weissen Schottersteinen, mit denen wir als Kinder so gerne spielten, während Vater, Mutter und Freunde ihr Augustinier-Bier tranken, die Kinder aber das beliebte ‚Kracherl‘ in den grauen irdenen Steinkrügen, die beim Anstossen den charakteristischen dumpfen Klang erzeugten. Nun geht es hinauf die einzige Fahrstrasse auf den Mönchsberg, die auch Mönchsberg heisst. Vorbei an der beleuchteten Müllner Kirche, der früheren Taufkirche aller Neugeborenen der Geburtsstation und am Nobelhotel mit den atemberaubenden Blicken auf die Altstadt, bis der dünn vereiste Weg Eis- und Schnee-bedeckt wurde und ich sehr aufpassen musste, um nicht auszurutschen. Dann nach 20-30 Minuten – wer zählt die Minuten nach dieser Seelen-Reise in die Vergangenheit? – stehe ich vor der Klosteranlage, einer grossen Mauer mit beleuchteter Pforte, und es sieht gar nicht so sehr nach Kloster aus.

Ich gehe durch den Garten zum Empfang über die typischen

Stiegen

aus rotem Untersberger Marmor, aber es ist niemand da. Dafür liegen auf der Theke Kuverts mit Namen und dem Zimmerschlüssel: 3-002. So einen Nummer hatte ich nie in einem Hotel bzw. Gästehaus gesehen. Ein 00 deutet auf den Keller hin, aber hier gab es keinen Kellerabgang. Nur zum Stüberl geht es, aber das ist zu. Ich gehe einen Stock hinauf um das System der Nummern zu erkunden. Kein Glück. Wie weiter? Aha, ein Lageplan. Er ist etwas kryptisch und es zeigt die quadratische Anlage mit dem Garten in der Mitte. Sollte es weitere Häuser geben? Ich sehe hinaus: Tatsächlich, es sind andere Türeingänge beleuchtet. Da über der ersten steht Gästehaus 2. Da muss es auch noch ein drittes geben. Ja, es ist nach Norden ausgerichtet, hinter dem grossen Baum in der Mitte, und im halben Unterstock finde ich mein Zimmer.

Müde lege ich mich gleich ins Bett. Seltsam, es ist sehr kühl und ich sehe nach der Heizung: abgedreht! Naja, warm wird es in der Nacht nicht mehr werden, und so zieh ich alles an, was ich habe. Plus Reservedecke aus dem Kasten.

Es gibt dicke Mauern und es ist sehr still. Ohne Fernseher, dafür mit Kreuz, Bibel und einem kleinen Bild. Klosterstill ist es, denke ich, es dürfte ausser mir niemand in den anderen Zimmern sein, daneben liegt gleich der Seminarraum. Kein Internet, nur das Telefon und ein Mineralwasser am kleinen Tisch zieren den Raum.

Um 7 am Morgen bin ich munter. Da geht sich gerade die Frühmesse aus, die, wie ich der Zimmer-beschreibung entnommen hatte, um 7 Uhr 15 beginnt. Also schnell hinüber zum Eingang neben der Pforte, viel musste ich mich ja nicht mehr umziehen. Ein Morgen mit Blick entlang der Salzach gegen Norden mit Braunsberg, Hochgitzen und dem Plainberg empfängt mich im Klostergarten. Im Süden blockiert der Untersberg in voller Breite den Horizont und jenseits des Flughafens im Westen grüsst der Hochstaufen aus dem Bayrischen.

Ich komme mit dem Klingelschlag in die moderne Kirche und nehme in der letzten Reihe Platz. Am anderen Ende sitzt noch ein Besucher, ein Jogger, die anderen 6 dürften alle aus dem Hause sein. Eine besinnliche Betmesse von einem ungelenken Jungpriester gehalten, ohne Predigt, die nach 25 Minuten vorbei ist. Der ältere Pfarrer ministriert und gibt in der Sakristei dem Novizen Feedback, wie ich den Wortfetzen entnehme. Am Abend gibt es noch eine Messe.

Frühstück wird von 7:30 bis 9:30 serviert und es ist in der ehemaligen Kapelle des Schlössls aufgetischt. Durch das Fenster grüsst der Untersberg herein. Das Büffet ist gut bestückt, keine Fastenspeise, es gibt Wurst und Schinken und der ist heiss begehrt, wie ich dem Wursttablett entnehme. Ich habe den Eindruck, dass mehr Frauen als Männer da sind, aber vielleicht schlafen die Männer nur länger.

Dann gehe ich in die Stadt hinunter. Den Weg über das Moderne Museum und den Aufzug meide ich, soll er doch 3 Euro 20 kosten. (‚Man könne ja eine Wochenkarte für 8 Euro kaufen‘.) Über den Feldweg und 2 Häuser der Novizen geht es hinunter zur Reichenhallerstrasse beim Neutor. Ein Paradies wie in meiner Jugend am Gaglhamerweg mitten in der Stadt, denke ich, als ich den gefrorenen und auftauenden Lacken ausweiche. Viele Stufen der Stiegenanlage aus dem Jahr 1890 erleichtern mir den Abstieg und dann quere ich den Almbach, der hier im Berg verschwindet, O-Bus-Station und Strasse zur Eiszapfen-behangenen Wand (dort wo sonst das Wasser austritt) mit Tunneleingang , und gehe über den Innenparkplatz des Mönchsberges durch den Berg, wo ich beim Festspielhaus heraus komme. Dort werden am Hintereingang gerade Kulissen angeliefert. Dann sind es nur mehr hundert Meter zum Seiteneingang der ehemaligen Fürst- und Erzbischöflichen Residenz, die nun die juristische Fakultät der Universität Salzburg beherbergt.

Am Nachmittag gehe ich denselben Weg zurück um mich etwas auszuruhen. Ich hatte mir mehr Anstrengungen bei der Besteigung des Berges vorgestellt, aber es ging ohne Pause relativ leicht. Der Internetanschluss war nur in der Rezeption möglich und das WLAN war schneckenlangsam und war meiner Geduld nicht gewachsen. Dann traf ich Pater Schwarzfischer von der Morgenmesse, der seit 44 Jahren hier am Mönchsberg lebt. Jaja, er kenne das Problem mit WLAN, es steht an der ersten Stelle der Prioritätenliste. Ich frage ihn, warum das Schlössl im Krieg bombardiert wurde. Eine Fliegerbombe sagte er, und nur dies wäre der Grund, weshalb es nun das Schlössl als Gästehaus der Pallottiner gibt. Im Krieg war es zu einer Nazi-Schule umfunktioniert. Wie viele Mönche leben hier, will ich wissen. Nach dem Krieg waren es über 60, heute sind es Null. Auch die Leitung der Klosteranlage sei heute eine GmbH. Man müsse eben die Dienstleistung Spiritualität, die die Menschen in unserer materiellen Gesellschaft vermehrt nachfragen, besser vermarkten, sage ich. Das wäre möglich, aber dazu brauche es Leute, die dieses organisieren können, und nicht nur Angestellte im Hotel und in der Küche. Am besten Kurse für ausgebrannte Manager anbieten, erwidere ich, da gibt es vielleicht den einen oder anderen, der das kann. Mit der Last der Geschichte und der ungewissen Zukunft vor Augen verabschiedet er sich und wendet sich zum Gehen.

Am nächsten Tag beim Frühstück sehe ich ihn zum letzten Mal. Er dreht wie gewohnt nach der Frühmesse seine Runde im Frühstückssaal, der fast voll besetzt ist, und spricht mit den Gästen an jedem Tisch. Ein Hirte, der nach seinen Schäfchen sieht. Zuletzt kommt er zu mir und wir verabschieden uns, als wären wir schon immer Freunde gewesen. Vielleicht ist das der Grund, warum die Gäste dieses schlichte Gästehaus am hinteren Mönchsberg, der zur Pfarre Mülln gehört, von den Gästen mit 8,6 Punkten bewertet wird?

Ein letztes Mal gehe ich den Weg zur Stadt hinunter, der nun aufgetaut ist, und ein leichter Nieselregen schlägt mir entgegen. Eine heitere kleine Kinderschar mit Betreuer kommt gerade die Stiege herauf. Ein letzter Blick auf die Bürgerwehrmauer, die den vorderen vom hinteren Mönchsberg trennt, und dann tauche ich in den gewohnten Alltag der geschäftigen Stadt, gestärkt mit meiner mit Heimat betankten Seele.

Wolfgang, 27. Februar 2012

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